Der Normenkontrollrat hat ein Gutachten veröffentlicht,
wonach Datenbanken der öffentlichen Verwaltung wie das Melderegister
miteinander verknüpft werden sollen als Basis für eine stärkere Digitalisierung
von Dienstleistungen.
Rund 84 Millionen Stunden weniger pro Jahr müssten die Bürger
hierzulande mit Behördenkram verbringen, wenn nicht sie selbst, sondern die
Daten liefen. Dies geht aus einem Gutachten im Auftrag des Nationalen Normenkontrollrats
(NNK) hervor, das dessen Vorsitzender Johannes Ludewig am Freitag
Bundeskanzleramtschef Peter Altmaier (CDU) übergeben hat. Voraussetzung für das
große Zeitgeschenk wäre es, die Verwaltungsleistungen komplett zu
digitalisieren und dafür in einem ersten Schritt die staatlichen Register zu
modernisieren und zu vernetzen. Insgesamt könnte damit die Interaktionszeit der
Bürger mit der Verwaltung fast halbiert werden.
Das parallele Einsparpotenzial für Unternehmen schätzen die
Gutachter vom Beratungshaus McKinsey auf jährlich über eine Milliarde Euro, was
einem Minus von 54 Prozent entspräche. Das größte Potenzial sehen sie aber bei
der Verwaltung selbst, wo sie auf eine Zeitersparnis von bis zu 59 Prozent oder
64 Millionen Stunden pro Jahr kommen. Bei Volkszählungen sei zudem ein vollständig
registerbasierter Zensus bis zu 98 Prozent günstiger als die traditionelle,
derzeit "registergestützte" Variante. Finanziell entspräche
dies allein einem Plus von gut 650 Millionen Euro in der Staatskasse. Dem stünden
beim dem Vorhaben insgesamt Anlaufkosten für ein
"Basisdatenprogramm", die weitere technische Standardisierung, ein
"Stammzahlensystem" und ein Pilotprojekt "Elterngeld" von
rund 700 Millionen Euro gegenüber.
"Die heutige Registerlandschaft in Deutschland ist
nicht dafür geeignet, den Informationsreichtum der öffentlichen Verwaltung
optimal zu nutzen", heißt es in der gut 60-seitigen Analyse, für die
McKinsey mit dem Statistischen Bundesamt und dem Deutschen Forschungsinstitut für
öffentliche Verwaltung in Speyer zusammengearbeitet hat. Daher sei eine
"grundlegende Modernisierung" der allein auf Bundesebene über 200
einschlägigen Datenbanken nötig.
Ein Kernpunkt dabei müsse ein "standardisierter
digitaler Zugriff auf Informationen für alle autorisierten Nutzer über
einheitliche und sichere elektronische Schnittstellen" sein, heißt es in
der Analyse. Möglich sollte es auch werden, Daten etwa aus Melde-, Fahrzeug-,
Handels- oder Gewerberegistern eindeutig zuzuordnen und zu verknüpfen. Der Bürger
könnte Bescheide dann sofort bekommen, eigene Daten müsste er im Einklang mit
dem "Once only"-Prinzip nur einmal der Verwaltung liefern.
Bei einem solchen Digitalisierungsvorhaben gibt es aber eine
Crux. Neben Angaben zu Unternehmen, Gebäuden und Wohnungen oder Flurstücken
sollen nämlich auch solche zu Personen aus Datenbeständen der Behörden zusammengeführt
werden. Voraussetzung dafür wäre es, eine mehr oder weniger eindeutige Personenkennziffer
einzuführen. Für Datenschützer ist ein solches Identifizierungsmerkmal ein
rotes Tuch, das Bundesverfassungsgericht hat dafür im Volkszählungsurteil enge Grenzen gezogen. Demnach dürften damit auf keinen Fall "sämtliche
Daten aus bereits vorhandenen Dateien der Verwaltung" zusammengeführt
werden. Ein "Super-Register" sei nicht mit dem Grundgesetz vereinbar,
detaillierte Persönlichkeitsprofile sollten vermieden werden.
Als Kompromiss bringen die Gutachter das österreichische
Modell ins Spiel. Dort arbeitet die Verwaltung mit einer Art virtuellem
Personenkennzeichen, bei dem keine Behörde vollständig auf alle gespeicherten
Merkmale zugreifen kann. Die Datenschutzbehörde generiert in der Alpenrepublik
eine geheime Stammzahl als eindeutige Identifikationsnummer. Daraus und aus
einem auf einzelne Sektoren zugeschnittenen Kürzel werden in einem
Hashverfahren kryptografisch "bereichsspezifische Personenkennzeichen"
generiert. Aus diesen auf die Stammzahl zurückzuschließen, soll nicht möglich
sein.
Ämter können über diesen Weg personenbezogene Daten aus
anderen Bereichen abfragen und mit eigenen Informationen verknüpfen. Dafür
erhalten sie von der Registerbehörde in Form der Datenschutzaufsicht einen Schlüssel
für einen temporären Zugriff auf konkrete Personenmerkmale aus einem
bereichsfremden Register. Dieser Ansatz soll sicherstellen, dass
Informationsabrufe zweckgebunden und im Umfang begrenzt sind.
Matthias Daub, der bei McKinsey für den öffentlichen Sektor
verantwortlich ist, verdeutlicht diese Lösung an einem konkreten Verfahren. Die
Elterngeldbehörde könnte sich so über die zentrale Stelle autorisieren lassen,
etwa beim Finanzressort Informationen abzufragen. Im dortigen
"Tresor" lägen dann nur Datenbestände, die der Bürger selbst vorher
freigegeben habe. Die Elterngeldstelle sei nicht imstande, den Code zu
entziffern und gebe ihn verschlüsselt etwa an die Krankenkasse weiter. Diese könne
dann die von ihr benötigten Bescheide zurücksenden.
"Es gibt keine zentralen Register, keinen Generalzugang",
wirbt Daub für diesen Weg, den auch die Schweiz ähnlich vorexerziere. "Die
Daten bleiben in lokalen Verzeichnissen", könnten aber ausgetauscht und
verknüpft werden. Auch David Wagner, Referent an dem beteiligten Speyerer
Forschungsinstitut, spricht von einem "ausgewieften Modell". Zusätzlich
könnte dieses mit einem "Datenschutz-Cockpit" kombiniert werden, das
transparent mache, "welche Behörde welche Daten über die Betroffenen
erhebt". Ein weiterer Vorteil sei, dass Hacker zunächst nur eine Nummer
erhielten und erst den Verschlüsselungsmechanismus knacken sowie es schaffen müssten,
formgerecht Anfragen an andere Behörden zu stellen.
In einem parallel vorgelegten rechtlichen Kurzgutachten
warnen Wagner, der Vizedirektor des Instituts, Mario Martini, sowie ein
weiterer Kollege aber, dass die geheime Stammzahl "alle unter den
bereichsspezifischen Personenkennziffern verbundenen Daten verknüpft" und
technisch versierten Unbefugten durchaus eine Fläche für komplexe Angriffe mit
Folgen bis hin zu Identitätsdiebstahl, finanziellen Verlusten oder Rufschädigungen
eröffne. Auch bei dem letztlich wohl tragfähigen "österreichischen
Vorbild" verblieben "erhebliche Gefahrenpotenziale".
Eine allgemeine Personenkennziffer schafft den
Wissenschaftlern zufolge einen "Zentralschlüssel", um Datenbestände
zusammenzuführen und ins Recht auf informationelle Selbstbestimmung der
Betroffenen einzugreifen. Auch eine pseudonymisierte bereichsgebundene Kennung
vereinfache Missbrauch. Für sich genommen ermögliche sie es dem Staat aber
zumindest nicht, "ein Gesamtpersönlichkeitsbild zu entwerfen, das
gleichsam das Innerste des Bürgers ausleuchtet". Als "erster
Schritt" in diese Richtung sowie als "Vorbereitungsstadium"
einer "freiheitsberaubenden digitalen Vermessung" könnte das Merkmal
aber trotzdem betrachtet werden, zumal die Schutzmaßnahmen reversibel seien.
Ludewig hofft als Zuständiger für den Bürokratieabbau trotz dieser Bedenken, dass sich mit dem Gutachten der gordische Knoten beim E-Government hierzulande endlich durchschneiden lässt. Einen ersten Kontakt mit der Bundesdatenschutzbehörde habe es in Fragen der Registerintegration schon früh gegeben, Details seien mit den dortigen Experten aber noch nicht besprochen worden. Auch der IT-Planungsrat sei informiert, da Bund, Länder und Kommunen bei dem Vorhaben an einem Strang ziehen müssten. Für die Politik stehe dabei auch "ein Stück Glaubwürdigkeit auf dem Spiel". Schließlich habe die Bundesregierung schon lange versprochen, dass die "Top-100-Dienstleistungen" digitalisiert werden sollten. Im Online-Zugangsgesetz sei inzwischen eine Fünfjahresfrist für alle Verwaltungsservices festgeschrieben.
Ludewig hofft als Zuständiger für den Bürokratieabbau trotz dieser Bedenken, dass sich mit dem Gutachten der gordische Knoten beim E-Government hierzulande endlich durchschneiden lässt. Einen ersten Kontakt mit der Bundesdatenschutzbehörde habe es in Fragen der Registerintegration schon früh gegeben, Details seien mit den dortigen Experten aber noch nicht besprochen worden. Auch der IT-Planungsrat sei informiert, da Bund, Länder und Kommunen bei dem Vorhaben an einem Strang ziehen müssten. Für die Politik stehe dabei auch "ein Stück Glaubwürdigkeit auf dem Spiel". Schließlich habe die Bundesregierung schon lange versprochen, dass die "Top-100-Dienstleistungen" digitalisiert werden sollten. Im Online-Zugangsgesetz sei inzwischen eine Fünfjahresfrist für alle Verwaltungsservices festgeschrieben.
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