Der federführende Handelsausschuss des EU-Parlaments hat sich am Dienstag dagegen ausgesprochen, im Streit um das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA gesondert den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen. Nur fünf Abgeordnete stimmten für eine solche Vorlage in Luxemburg, 21 dagegen. Damit bleibt für die Bürgervertreter der Weg frei, zügig über die Ratifizierung des Übereinkommens zu entscheiden.
Die EU-Kommission beschloss bereits im Februar, den Vertragstext ihrerseits durch den EuGH prüfen zu lassen. Dabei soll es vor allem darum gehen, ob ACTA mit dem Gemeinschaftsrecht, den EU-Verträgen und den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Der neue parlamentarische Berichterstatter für das Abkommen, David Martin von der sozialdemokratischen Fraktion, machte in Folge den Vorschlag, dass die Abgeordneten in Eigenregie Luxemburg weitere Fragen vorlegen könnten. Schattenberichterstatter Christofer Fjellner, ein Mitglied der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), meinte, dass in diesem Rahmen auch Bedenken der Zivilgesellschaft besser aufgenommen werden könnten.
Dem heutigen Votum war am Vormittag eine turbulente Debatte zu Verfahrensfragen vorangegangen. Martin zog dabei seine ursprüngliche Idee mehr oder weniger wieder zurück. Viele Kollegen hätten sich gegen eine Verzögerung des Ratifizierungsprozesses und den von dem Schotten zunächst anvisierten Zwischenbericht vor der Sommerpause ausgesprochen, gab er zu Protokoll. Zugleich kündigte er an, bis Ende April nun seine Empfehlung ausarbeiten zu wollen, ob das Parlament ACTA ablehnen oder befürworten wolle. Darüber könne der Ausschuss dann Ende Mai und das Plenum in Straßburg noch im Juni oder Juli abstimmen.
Sein Fraktionskollege Bernd Lange erklärte, dass die Abgeordneten als "die politischen Entscheider" rasch in die Arbeit einsteigen und deutlich die Schwächen des Vertrags herausarbeiten sollten. Der SPD-Politiker plädierte so dafür, beim ursprünglichen Zeitplan zu bleiben und sich nicht von der EuGH-Vorlage ablenken zu lassen. Helmut Scholz von den Linken warnte ebenfalls davor, auf Zeit zu spielen: "Wir sollten als Parlament dranbleiben und an dem Dossier arbeiten."
Der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary gab dagegen zu bedenken, dass es keinen schriftlichen Antrag für einen Zwischenbericht oder eine eigene EuGH-Vorlage gebe und daher auch nicht über diese Frage abgestimmt werden könne. Da der ACTA-Text noch viele rechtliche Probleme aufwerfe, sei eine Auszeit zu nehmen, um diese zunächst zu klären. Der Ausschussleiter, der spanische Sozialist Vital Moreira, sah die formalen Vorschriften für eine Abstimmung über das weitere Vorgehen jedoch als erfüllt an. Eine Entscheidung sei nötig, um auch die laufenden Koordinierungsgespräche mit dem EU-Rat aufrecht erhalten zu können.
Jérémie Zimmermann von der Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net begrüßte die Tatsache, dass der Ausschuss den technischen Verfahrenstrick der EuGH-Vorlage abgelehnt habe. Es seien bereits zahlreiche demokratische und politische Problemfelder des Abkommens umrissen worden wie etwa außergerichtliche Vorgaben zum Unterdrücken von Filesharing, denen sich die Abgeordneten nun stellen müssten.
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