Deutschland ist 2014 auf dem Weg in die digitale
Gesellschaft im Vergleich zum Vorjahr nur um 0,1 Indexpunkte vorangekommen, geht
aus einer Studie der Initiative D21 hervor. Fast ein Viertel der Deutschen
bleibt offline.
Der digitale Wandel ist in Deutschland nach wie vor nicht in
der Mitte der Gesellschaft angekommen. 76,8 Prozent der Bundesbürger ab 14
Jahren nutzen aktuell das Internet, während es 2013 noch 76,5
Prozent waren. Parallel hat sich auch der Gesamtindex, der für den Grad der
gesellschaftlichen Digitalisierung der Bevölkerung in ihrer Vielschichtigkeit zwischen
Privat- und Arbeitsleben stehen soll, in den vergangenen anderthalb Jahren von 51,2
auf 51,3 Punkten kaum nach oben bewegt. Dies geht aus einer am Mittwoch veröffentlichten Studie von TNS Infratest im Auftrag der Initiative D21 hervor.
Wer hierzulande drin ist, verbringt zwar durchschnittlich
drei Stunden online, ist im erweiterten (N)onliner-Atlas nachzulesen. Fast alle
Nutzer suchen im Netz nach Inhalten und Informationen. E-Commerce und Videos
gucken sind für zwei Drittel der Internetnutzer regelmäßige Praktiken und
Cloud-Anwendungen finden verstärkt Zuspruch. Der Anteil der weniger im Netz
aktiven Nutzertypen ist 2014 auch leicht gesunken. Dennoch besteht der Studie
zufolge nach wie vor eine "strukturelle Benachteiligung" in der
Online-Welt. Dieser digitale Graben werde durch Alter, Geschlecht, Bildung und
Wohnort bestimmt. Das Schlusslicht digitaler Souveränität bildeten wieder die Senioren
im Netz.
Sogar ein "sehr schwach ausgeprägtes Datenbewusstsein"
haben die Forscher bei ihren rund 30.000 Telefoninterviews zwischen Februar und
April sowie einer vertieften Online-Befragung im Sommer bei den Deutschen
ausgemacht, die doch eigentlich als Vorreiter beim Datenschutz gelten. 39
Prozent seien zwar bereit, für eine Sicherheitsgarantie zu bezahlen. Aber 14
Prozent möchten persönliche Informationen gegen einen kostenlosen Service
tauschen. Insgesamt seien die Nutzerzahlen bei sozialen Netzwerken und
datenschutzhungrigen Anwendungen wie WhatsApp hoch.
Es bestehe so eine "Diskrepanz zwischen Wunsch und
Wirklichkeit", meinen die Autoren. Diese mache deutlich, dass es noch "massiven
Aufklärungsbedarf" gebe und das "digitale Bauchgefühl"
verbessert werden müsse. Möglichkeiten zum Selbstschutz würden kaum in Anspruch
genommen.
An einzelnen Stellen schimmert Hoffnung durch. Berufstätige etwa
verfügen mit 60,2 Punkten über einen höheren Digitalisierungsgrad als der
Bundesdurchschnitt. Die Wirtschaft kann zudem auf digital versierten Nachwuchs
setzen, denn die 14- bis 25-Jährigen haben mit 69 Punkten einen hohen Indexwert
und so wohl entsprechende Ansprüche an ihren künftigen Arbeitsplatz.
Gleichzeitig zeigt die Analyse aber auch eine Verschlechterung der Bedingungen
für digitales Arbeiten, etwa durch eingeschränkte Internetzugänge im Beruf oder
fehlende Weiterbildungen.
Der D21-Digital-Index beruht auf über 200 Faktoren, die in
den Themenbereichen Zugang, Nutzungsvielfalt, Kompetenz und Offenheit
zusammengefasst werden. Diese werden rechnerisch zu vier Subindizes verdichtet
und münden mit unterschiedlicher Gewichtung in der übergreifenden Gesamtmaßzahl.
Die Marktforscher überprüfen die "Währung", die auf einer Skala
zwischen 0 und der Idealgröße 100 dargestellt wird, nach eigenen Angaben durch
Diskussionen mit Experten. Diese haben der Kompetenz im Umgang mit digitalen
Medien mit 40 Prozent die höchste Gewichtung zuerkannt, gefolgt von der
Zugangsdimension.
Im Großen und Ganzen attestiert die Untersuchung den
Deutschen "Stillstand beim Souveränitätsaufbau" rund um die Welt aus
Einsen und Nullen. Der Unterindex Zugang verzeichnet zwar eine leichte
Verbesserung von 54 auf 57 Punkte. So ist etwa der Anteil der Smartphone-Besitzer
um zwölf Punkte von 41 auf 53 Prozent angestiegen. Andererseits ist die
Breitbandnutzung nur von 58,3 auf 59,2 Prozent ganz leicht nach oben gegangen.
Auffällig ist der Rückgang der Kompetenz um 2,5 Indexpunkte
auf 48. Dies sei vor dem Hintergrund zu sehen, heißt es erläuternd, dass
"die Komplexität der Berichterstattung zu digitalen Themen nach den
Datenskandalen und Snowden-Enthüllungen deutlich angestiegen" sei.
Etwa drei Viertel der Deutschen ab 14 Jahren konnten die
Begriffe Antivirensoftware, Homepage oder soziale Netzwerke erklären. Sieben
von zehn Befragten hatten eine Erläuterung für Apps parat. Mit fast allen übrigen
abgefragten Begriffe konnte weniger als die Hälfte der Bundesbürger Genaueres
anfangen. Darunter sind im IT-Bereich gängige Wörter wie Cookies, Cloud, LTE ebenso
wie Fachbegriffe wie Smart Grid, worunter nur sechs Prozent Details verbinden.
Sechs von zehn Deutschen ab 14 Jahren sehen viele Vorteile für
sich in der Internetnutzung und suchen Informationen zuerst im Netz. Auf
gleichem Niveau ist die Sorge, dass persönliche Daten im Internet abhanden
gehen könnten. Andererseits begegnen einige Menschen der digitalen Welt mit größtmöglicher
Zurückhaltung oder gar Ängsten: Ein Fünftel der Bevölkerung versucht, das
Internet weitestgehend zu meiden. 16 Prozent haben Angst vorm Surfen oder
Mailen, da sie sich ihrer Meinung nach zu wenig mit Computer-, Internet- und Technikthemen
auskennen.
Bei den ausgemachten Nutzertypen notieren die Verfasser, dass
der Anteil der "digital Souveränen" gegenüber 2013 leicht zugenommen
habe. Ins Auge steche der Zuwachs an "smarten Mobilisten", die statt
drei jetzt sechs Prozent stellten. Auch der "reflektierte Profi" habe
sich um drei Punkte auf 18 Prozent ausgedehnt. "Außenstehende
Skeptiker", die zusammen mit den "häuslichen
Gelegenheitsnutzern" nach wie vor mit insgesamt 56 Prozent die größten
Gruppen bilden, und "vorsichtige Pragmatiker" hätten sich parallel um
je drei Prozentpunkte verkleinert. In die Königskategorie der
"passionierten Onliner" werden statt 15 nur noch 13 Prozent
eingeordnet.
Langfassung eines Beitrags für heise online.
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