A startup called Lenddo hopes to return lending to that community bank era, but with a modern twist. The company gauges a person's creditworthiness using his or her online reputation, as assessed through sites such as Facebook, Twitter, and LinkedIn, to grant loans. To secure repayment, it forgoes collateral and instead relies on peer pressure through the same social networks. ... The company relies on three classes of algorithms to gauge a person's likelihood of loan repayment. One validates truthfulness; for example, it would be statistically odd if a supposed engineering student in Bogota had few friends at school or never wrote e-mails containing certain words. Another looks for behavioral and demographic clues that predict the probability of repayment, similar to how online ads are targeted based on Web surfing patterns today. The last element Stewart calls a "PageRank for people," referring to Google's method for returning high-quality search results by examining the credibility of incoming hyperlinks.
Sonntag, 10. Juni 2012
Scoring per Crowdsourcing mit Facebook-Daten
Im Lauf der Woche gab es lautstarke Proteste gegen das Planspiel der Schufa, mithilfe eines Forschungsprojekts am Hasso-Plattner-Institut (HPI) in Potsdam nutzergenerierte Inhalte auf Facebook für die Prüfung der Kreditwürdigkeit per Scoring zu erschließen. Die in der Pressearbeit immer sehr aktive wissenschaftliche Einrichtung zog daraufhin die Notbremse und kündigte nach eigenen Angaben den Vertrag mit dem Finanzdienstleister. Anderswo ward bereits darüber spekuliert, dass vergleichbare Ansätze mit ein paar Zeilen Code recht schnell zusammengezimmert werden könnten im Zeitalter der ungebremsten Datenflüsse. Und wie immer ist die Entwicklung in den USA bereits etwas weiter: Dort bietet ein junges Online-Unternehmen längst die von der Schufa gewünschten Dienste ganz offiziell an, wie Technology Review berichtet:
Rufe nach globaler Anti-Botnetz-Initiative
Länder wie Japan, Deutschland oder Australien haben bereits
seit einiger Zeit nationale PC-Entseuchungszentren eingerichtet.
Andere Staaten tun sich schwer mit entsprechenden Vorstößen für
Anti-Botnetz-Initiativen, was auf dem 25. Treffen der Messaging, Malware and Mobile Anti-Abuse Working Group (M3AAWG)
am Mittwoch in Berlin für Kontroversen sorgte. Peter Coroneos etwa, Ex-Chef der
australischen Internet Industry Association, zeigte sich verwundert, dass vor
allem die USA das Thema so spät aufgegriffen hätten. Als frustrierend
bezeichnete er vor allem die fehlende Bereitschaft jenseits des Atlantiks,
offenbar aus Wettbewerbsdenken heraus keine Informationen über
Malware-Bedrohungen und Infektionen auszutauschen.
Auf dem südöstlichen Kontinent selbst habe sich die
Internetwirtschaft vor zwei Jahren auf einen Kodex geeinigt, dem sich 34
Provider mit rund 90 Prozent Marktabdeckung angeschlossen hätten, führte
Coroneos aus. Der "Internet Industry Code of Practice" (icode) enthalte Vorgaben zum Aufdecken, Informieren, Eskalieren und Berichterstatten
rund um verseuchte Rechner. Wichtig sei es dabei insbesondere, Betroffene beim
Entfernen der Malware zu helfen.
Genaue Zahlen über den Erfolg der im Dezember 2010 in Kraft
getretenen Regeln konnte Coroneos zwar nicht vorweisen. Er verwies aber auf die
große Unterstützung, die der Ansatz national aus Kunden- und Regierungskreisen
erfahre. Wirklich Sinn machen laut dem icode-Präsidenten aber nur "globale
Partnerschaften" in diese Richtung, da sonst die Nutzer eines Tages
Diensten wie Online-Banking den Rücken kehrten. Er habe einen ersten Schritt in
diese Richtung gemacht und den Kodex in Südafrika
zur Unterschriftsreife gebracht.
Auch in den USA liefen Vorbereitungen für die Verabschiedung
freiwilliger Leitlinien zur Botnetz-Bekämpfung, wehrte sich Kate Dean, Geschäftsführerin
der US Internet Service Provider Association US ISPA,
gegen den Vorwurf der Untätigkeit. Nachdem das US-Wirtschaftsministerium und
das Department of Homeland Security (DHS) im vergangenen Jahr ein solches
Vorhaben angemahnt hätten, habe die Internetwirtschaft gemeinsam mit anderen
Industriezweigen wie dem Finanzsektor im Januar erste Ziele für eine "Industry Botnet Group" (IBG) umrissen.
Vergangene Woche habe dazu nach der Einrichtung eines
Steuerungskomitees eine Besprechung im Weißen Haus stattgefunden, auf der erste
Prinzipien für die Gruppe festgezurrt worden seien, berichtete Dean. Die
Selbstregulierungsbemühungen könnten aber noch durch laufende gesetzgeberische
Schritte zur Cybersicherheit drastisch geändert werden. Letztlich hielt auch
sie eine "globale Antwort" auf das Botnetz-Problem für nötig, die
ohne Einbindung der Regierungen nicht zu finden sei.
Im Rahmen der M3AAWG und dem Communications Security,
Reliabitliy and Interopibility Council (CSRIC) der Regulierungsbehörde Federal Communications Commission (FCC) sei parallel ein
spezieller Anti-Bot-Kodex für Zugangsanbieter entwickelt worden, ergänzte der Arbeitsgruppenleiter
Mike O'Reirdan. Die Beteiligten deckten rund 80 Prozent des Breitbandmarkts in
den USA ab. Es seien aber noch einige Hürden zu überwinden, um auch die
restlichen Provider an Bord zu bringen. Bislang fehle ein System, um die
Auswirkungen der gemeinsamen Anstrengungen zu messen. Eventuell stellten solche
Zahlenspielereien aber auch nur eine Zeitverschwendung dar, wenn sich das
Problem mittlerweile auf Malware in Kühlschränken oder Autos verschoben habe.
Thorsten Kraft vom Verband der deutschen Internetwirtschaft
eco konnte dagegen aktuelle Statistiken von der hiesigen, vom japanischen Telecom Incident Information Sharing and Analysis Center inspirierten Plattform botfrei.de präsentieren.
Demnach haben die Seite seit September 2010 rund 2,3 Millionen Surfer angesteuert,
das zugehörige Blog rund vier Millionen.
Das Entseuchungsprogramm DE-Cleaner komme auf 1,3 Millionen Downloads und
Aktivierungen. 382.493 Nutzer seien bis April über eine Infektion informiert
worden, von denen nur rund zwei Prozent Telefon-Support benötigt hätten. 17.000
Systeme seien gescannt worden, wovon 40 Prozent noch Malware aufgewiesen hätten.
Als nächsten Schritt bezeichnete Kraft die Arbeit an einem
europäischen Advanced Cyber Defense Center (ACDC). Die EU-Kommission habe
dieses mit acht Millionen Euro Startfinanzierung ausgerüstete Projekt ausgeschrieben,
für das sich der eco zusammen mit mehreren Partnern beworben habe.
Voraussetzung sei Beteiligung von mindestens vier Ländern und weiteren
Interessensvertretern wie Strafverfolgern. Geplant sei in diesem Rahmen, eine
zentrale Datenbank mit Informationen über das Verhalten von Schadcode
aufzubauen. Eine Entscheidung über die eingegangenen Bewerbungen stehe binnen
vier Wochen in Brüssel an.
Den 1998 eingeschlagenen finnischen Weg zu botfreien
IT-Systemen schilderte Arttu Lehmuskallio von TeliaSonera. "Wir sind sehr
schnell bei der Abwehr", führte der Techniker aus. Täglich erstellten die
großen Provider des skandinavischen Landes Statistiken über infizierte Rechner.
Für jeden Tag, den ein entsprechendes Gerät am Netz bleibe, gebe es einen neuen
Eintrag. TeliaSonera führe auch eine Datenbank mit Problemkunden und habe den
Versand von Warnungen weitgehend automatisiert. Zusätzlich habe man ein
"umgekehrtes Darknet" aufgebaut: "Wir loggen allen Netzverkehr,
wenn ein Ziel nicht im offiziellen Routingverzeichnis aufgeführt ist", erläuterte
Lehmuskallio. Nicht erreichbare Adressen sollten dabei nicht verwendet werden.
Als auffällig werde gewertet, wenn Teile des Datenverkehrs über 100 einzelne
Ziele ansteuerten und dabei eine gewisse Zahl an Ports gescannt würde.
Langfassung eines Beitrags für heise online.
Sonntag, 6. Mai 2012
re:publica: Piratenpartei-Gründer stellt Technik zum Schwarm-Management vor
Rick Falkvinge, Mann der ersten
Stunde der schwedischen Piratpartiet,
hat mit Activizr ein
Werkzeug zum Verwalten sozialer Bewegungen angekündigt. Die Web-basierte
Software werde "im Sommer verfügbar sein" und wie vergleichbare Tools
der Piraten allen Interessierten gemeinfrei angeboten, erklärte der Aktivist am
Freitag auf der Netzkonferenz re:publica in
Berlin. Derzeit habe man erste Beta-Nutzer zum Test des Programms eingeladen.
Activizr erlaube das Anlegen verschiedener Gruppen wie
Mitglieder, Leiter, Aktivisten oder freiwillige Helfer, führte Falkvinge aus.
Anführer schwarmartiger Strukturen, die das Optimum in der vernetzten Welt
darstellten, würden mit der Software befähigt, Erfolge aller Beteiligten leichter
auszumachen und eine "Kultur der Belohnung" zu etablieren. Dies fange
mit einer automatischen Erinnerung an, neue Mitglieder ausdrücklich persönlich
willkommen zu heißen. Darüber hinaus helfe das Werkzeug dabei,
Pressemitteilungen zu schreiben und an voreingestellte Kategorien von
Journalisten per Mausklick zu versenden.
In das Tool eingeflossen sind die Beobachtungen, die
Falkvinge in den vergangenen Jahren zum Schwarm-Management angestellt hat und
die er in seinem in Bälde erscheinenden Buch Swarmwise veröffentlichen wird. Um eine derartige soziale Bewegung starten zu können,
brauche es ein klar greifbares und glaubhaftes Ziel, an dessen Verwirklichung
letztlich jeder mitarbeiten können müsse, plauderte der Schwede vorab aus dem Nähkästchen.
Ein Schwarm trete eigentlich an, um etwas Unmögliches zu verwirklichen. Es sei
daher wichtig, zuerst das vorhandene Potenzial durchzurechnen, statt mit einem
"Bullshit-Bingo" zu starten. Schließlich lege man es darauf an, dass
viele Mitschwimmer ihre Freizeit im Glauben an den gemeinsamen Erfolg opferten.
Im Fall der Piratpartiet sei ihm und seinen Mitgründern klar
gewesen, dass es mehrere Millionen Filesharer in dem skandinavischen Land gebe
und so das Potenzial für die geplante neue politische Kraft vorhanden sein müsste,
blickte Falkvinge zurück. Habe man die Grundidee dann einmal veröffentlicht,
werde sie nach einer solchen Vorarbeit rasch ihren Weg in die sozialen
Netzwerke finden. Anschließend gelte es, das Gerüst für die Bewegung zu bauen
und Hierarchien zu schaffen. Dabei sei es unerlässlich, hinzustrebende
Mitglieder und Sympathisanten in regionale Einheiten aufzuteilen. Dabei könne
es helfen, die "magischen Zahlen" 7, 30 und 150 im Auge zu behalten.
Die beiden letzten entsprächen der Größe eines Klassenzimmers beziehungsweise
eines Stammes. Die kleinere Menge der Gruppenleiter und des Anführers sowie
seines Stellvertreters sei so auszurichten, dass nicht ständig eine Pattsituation
herbeigeführt werde.
Auch im digitalen Zeitalter für unabdingbar hält der
Praktiker regelmäßige Gruppentreffen vor Ort. Im Vordergrund stehen müsse dabei
die Devise, dass es "ein Lächeln und einen Handschlag" für die
Motivation der Mitstreiter bedürfe. Länger als eine Stunde sollten die
Zusammenkünfte nicht dauern. Was bis dahin nicht angesprochen worden sei, könne
auch nicht wirklich wichtig sein.
Habe man diese Voraussetzungen geschaffen, dürfe man den
Schwarm loslassen, ging Falkvinge weiter ins Detail. Für die tägliche Arbeit
habe sich in Ländern wie Schweden oder Finnland bei der Piratenpartei die Regel
etabliert, dass jeder Aktivist im Namen der Vereinigung sprechen könne, sobald
er drei Gruppenmitglieder hinter sich habe. Dieser Ansatz, der auf Vertrauen
beruhe und schnelle Entscheidungen auch im Notfall gewährleiste, sei in den fünf
Jahren seiner Zeit als Parteiführer kein einziges Mal missbraucht worden. Dies
zeige, dass die Bereitschaft im Schwarm groß sei, Verantwortung entsprechend
der eigenen Möglichkeiten zu übernehmen.
Für Konfliktlösungen hat Falkvinge auch mit dem Activizr
noch kein Patentrezept gefunden. Mit Abstimmungen schaffe man nur Verlierer,
beklagte der Oberpirat und fügte an: "Democracy sucks." Auf Nachfrage
erläuterte er, dass er keinesfalls die Demokratie an sich in Frage stellen
wolle. Wer Wahlen durchführe und auf das Herbeiführen von Mehrheiten setze, stoße
aber das unterlegene Lager vor den Kopf. Auch wenn es sich dabei etwa nur um
zwei Prozent der Mitglieder handle, könnten diese doch entscheidend sein für
das Durchbringen des Gesamtprojekts. Es sei daher gegebenenfalls besser,
Streitfragen länger mithilfe von Feedback-Plattformen
wie Liquid Democracy auszudiskutieren und harte Kursentscheidungen zu
vermeiden.
Generell sei Spaß ein entscheidender Faktor, um die Leute
bei der Stange zu halten, kam Falkvinge auf launigere Themen zu sprechen. Es
sei empfehlenswert, Aktivitätsschwellen immer weiter abzusenken. Zum
Werkzeugsets des Schwarms müsse es zudem gehören, die "alten" Medien
für seine Sache zu gewinnen und sie gleichsam in Besitz zu nehmen. "Pwn
the Media", gab der Pirat im Hackerslang als Devise aus. Wer etwa auf den
Mars fliegen wolle, müsse sicherstellen, dass ihn die Presse jedes Mal beim
Anspielen auf dieses Thema als Experten heranziehe und zitiere. Ein spezielles
Team müsse permanent die Nachrichtenlage im Auge behalten und gegebenenfalls spätestens
binnen 40 Minuten über Applikationen wie derzeit noch das Piratenpad eine Presseerklärung erstellen und verteilen.
Die deutschen Piraten lobte der Veteran dafür, dass sie sich
schon auf ihrem ersten Bundesparteitag ein gründlicheres Fundament gegeben hätten
als ihre Pendants in anderen Ländern. Beifällig merkte Falkvinge ferner an,
dass die hiesigen Freibeuter ihr Programm rasch erweitert hätten. Sie seien
keine reinen Protestler und Kämpfer für Internetfreiheiten, sondern hätten den "Lebensstil
einer vernetzten Welt" zu ihrer Grundanschauung erklärt.
Langfassung eines Beitrags für heise online.
Dienstag, 27. März 2012
EU-Parlament will ACTA zügig weiter behandeln
Der federführende Handelsausschuss des EU-Parlaments hat sich am Dienstag dagegen ausgesprochen, im Streit um das Anti-Piraterie-Abkommen ACTA gesondert den Europäischen Gerichtshof (EuGH) anzurufen. Nur fünf Abgeordnete stimmten für eine solche Vorlage in Luxemburg, 21 dagegen. Damit bleibt für die Bürgervertreter der Weg frei, zügig über die Ratifizierung des Übereinkommens zu entscheiden.
Die EU-Kommission beschloss bereits im Februar, den Vertragstext ihrerseits durch den EuGH prüfen zu lassen. Dabei soll es vor allem darum gehen, ob ACTA mit dem Gemeinschaftsrecht, den EU-Verträgen und den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Der neue parlamentarische Berichterstatter für das Abkommen, David Martin von der sozialdemokratischen Fraktion, machte in Folge den Vorschlag, dass die Abgeordneten in Eigenregie Luxemburg weitere Fragen vorlegen könnten. Schattenberichterstatter Christofer Fjellner, ein Mitglied der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), meinte, dass in diesem Rahmen auch Bedenken der Zivilgesellschaft besser aufgenommen werden könnten.
Dem heutigen Votum war am Vormittag eine turbulente Debatte zu Verfahrensfragen vorangegangen. Martin zog dabei seine ursprüngliche Idee mehr oder weniger wieder zurück. Viele Kollegen hätten sich gegen eine Verzögerung des Ratifizierungsprozesses und den von dem Schotten zunächst anvisierten Zwischenbericht vor der Sommerpause ausgesprochen, gab er zu Protokoll. Zugleich kündigte er an, bis Ende April nun seine Empfehlung ausarbeiten zu wollen, ob das Parlament ACTA ablehnen oder befürworten wolle. Darüber könne der Ausschuss dann Ende Mai und das Plenum in Straßburg noch im Juni oder Juli abstimmen.
Sein Fraktionskollege Bernd Lange erklärte, dass die Abgeordneten als "die politischen Entscheider" rasch in die Arbeit einsteigen und deutlich die Schwächen des Vertrags herausarbeiten sollten. Der SPD-Politiker plädierte so dafür, beim ursprünglichen Zeitplan zu bleiben und sich nicht von der EuGH-Vorlage ablenken zu lassen. Helmut Scholz von den Linken warnte ebenfalls davor, auf Zeit zu spielen: "Wir sollten als Parlament dranbleiben und an dem Dossier arbeiten."
Der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary gab dagegen zu bedenken, dass es keinen schriftlichen Antrag für einen Zwischenbericht oder eine eigene EuGH-Vorlage gebe und daher auch nicht über diese Frage abgestimmt werden könne. Da der ACTA-Text noch viele rechtliche Probleme aufwerfe, sei eine Auszeit zu nehmen, um diese zunächst zu klären. Der Ausschussleiter, der spanische Sozialist Vital Moreira, sah die formalen Vorschriften für eine Abstimmung über das weitere Vorgehen jedoch als erfüllt an. Eine Entscheidung sei nötig, um auch die laufenden Koordinierungsgespräche mit dem EU-Rat aufrecht erhalten zu können.
Jérémie Zimmermann von der Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net begrüßte die Tatsache, dass der Ausschuss den technischen Verfahrenstrick der EuGH-Vorlage abgelehnt habe. Es seien bereits zahlreiche demokratische und politische Problemfelder des Abkommens umrissen worden wie etwa außergerichtliche Vorgaben zum Unterdrücken von Filesharing, denen sich die Abgeordneten nun stellen müssten.
Die EU-Kommission beschloss bereits im Februar, den Vertragstext ihrerseits durch den EuGH prüfen zu lassen. Dabei soll es vor allem darum gehen, ob ACTA mit dem Gemeinschaftsrecht, den EU-Verträgen und den europäischen Grundrechten vereinbar ist. Der neue parlamentarische Berichterstatter für das Abkommen, David Martin von der sozialdemokratischen Fraktion, machte in Folge den Vorschlag, dass die Abgeordneten in Eigenregie Luxemburg weitere Fragen vorlegen könnten. Schattenberichterstatter Christofer Fjellner, ein Mitglied der konservativen Europäischen Volkspartei (EVP), meinte, dass in diesem Rahmen auch Bedenken der Zivilgesellschaft besser aufgenommen werden könnten.
Dem heutigen Votum war am Vormittag eine turbulente Debatte zu Verfahrensfragen vorangegangen. Martin zog dabei seine ursprüngliche Idee mehr oder weniger wieder zurück. Viele Kollegen hätten sich gegen eine Verzögerung des Ratifizierungsprozesses und den von dem Schotten zunächst anvisierten Zwischenbericht vor der Sommerpause ausgesprochen, gab er zu Protokoll. Zugleich kündigte er an, bis Ende April nun seine Empfehlung ausarbeiten zu wollen, ob das Parlament ACTA ablehnen oder befürworten wolle. Darüber könne der Ausschuss dann Ende Mai und das Plenum in Straßburg noch im Juni oder Juli abstimmen.
Sein Fraktionskollege Bernd Lange erklärte, dass die Abgeordneten als "die politischen Entscheider" rasch in die Arbeit einsteigen und deutlich die Schwächen des Vertrags herausarbeiten sollten. Der SPD-Politiker plädierte so dafür, beim ursprünglichen Zeitplan zu bleiben und sich nicht von der EuGH-Vorlage ablenken zu lassen. Helmut Scholz von den Linken warnte ebenfalls davor, auf Zeit zu spielen: "Wir sollten als Parlament dranbleiben und an dem Dossier arbeiten."
Der CDU-Abgeordnete Daniel Caspary gab dagegen zu bedenken, dass es keinen schriftlichen Antrag für einen Zwischenbericht oder eine eigene EuGH-Vorlage gebe und daher auch nicht über diese Frage abgestimmt werden könne. Da der ACTA-Text noch viele rechtliche Probleme aufwerfe, sei eine Auszeit zu nehmen, um diese zunächst zu klären. Der Ausschussleiter, der spanische Sozialist Vital Moreira, sah die formalen Vorschriften für eine Abstimmung über das weitere Vorgehen jedoch als erfüllt an. Eine Entscheidung sei nötig, um auch die laufenden Koordinierungsgespräche mit dem EU-Rat aufrecht erhalten zu können.
Jérémie Zimmermann von der Bürgerrechtsorganisation La Quadrature du Net begrüßte die Tatsache, dass der Ausschuss den technischen Verfahrenstrick der EuGH-Vorlage abgelehnt habe. Es seien bereits zahlreiche demokratische und politische Problemfelder des Abkommens umrissen worden wie etwa außergerichtliche Vorgaben zum Unterdrücken von Filesharing, denen sich die Abgeordneten nun stellen müssten.
Fragen des irischen High Court zur Vorratsdatendatenspeicherung an den EuGH
Ein Frühlingsvöglein hat mir die konkreten Fragen zugetragen, die der Irische High Court dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Prüfung der EU-Richtlinie (RL) zur Vorratsdatenspeicherung mit dem Gemeinschafstrecht und der Grundrechtscharta vorgelegt hat. Mit im Päckchen waren gleich ein paar mehr oder minder juristische Bemerkungen dazu, die ich leicht gekürzt dabei lasse.
1. Is the restriction on the rights of the Plaintiff in respect of its use of mobile telephony arising from the requirements of Articles 3, 4, and 6 of Directive 2006/24/EC incompatible with Article 5.4 TEU in that it is disproportionate and unnecessary or inappropriate to achieve the legitimate aims of: Ensuring that certain data are available for the purposes of investigation, detection and prosecution of serious crime? and/or Ensuring the proper functioning of the internal market of the European Union?
Kommentar: Ausgangsthese des Gerichts scheint eine Beschränkung der Rechte des Klägers auf Nutzung seines Mobiltelefons zu sein, die durch die Artikel 3, 4 und 6 der RL Vorratsdatenspeicherung ausgelöst werden. Gefragt ist danach, ob dies vereinbar ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 5 Abs. 4 EUV, wenn die Ziele der RL entweder das Vorhalten der Daten für Strafverfolgungsmaßnahmen oder das Funktionieren des Binnenmarktes sind.
Artikel 3 Absatz 1 der RL formuliert die Verpflichtung der MS, Maßnahmen zu ergreifen, damit Daten auf Vorrat gespeichert werden.
Artikel 3 Absatz 2 enthält eine spezielle Regelung zur erfolglosen Anrufversuchen.
Artikel 4 der RL bestimmt, dass die MS in ihrem innerstaatlichen Recht Regelungen zum Zugang (Verfahren und Bedingungen) zu den auf Vorrat gespeicherten Daten treffen und hierbei die einschlägigen Bestimmungen der EU oder des Völkerrechts berücksichtigen.
Artikel 6 der RL enthält die Speicherungsfrist von mindestens sechs und höchsten 24 Monaten.
2. Specifically, is Directive 2006/24/EC compatible with the right of citizens to move and reside freely within the territory of Member States laid down in Article 21 TFEU? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to privacy laid down in Article 7 of the Charter and Article 8 ECHR? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to the protection of personal data laid down in Article 8 of the Charter? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to freedom of expression laid down in Article 11 of the Charter and Article 10 ECHR? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to Good Administration laid down in Article 41 of the Charter?
Kommentar: Es wird nach der Gültigkeit der RL gefragt in Bezug auf das Recht auf Freizügigkeit. Dass in der Folge in Irland in Bezug auf die Anwendung des die RL umsetzenden Rechts eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfolgt, ist möglich. Weiter wird nach der Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta gefragt, im einzelnen Artikel 7 das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Artikel 8 das Recht auf Datenschutz, Artikel 11 das das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit und Artikel 41, Recht auf gute Verwaltung.
3. To what extent do the Treaties - and specifically the principle of loyal cooperation laid down in Article 4.3 of the Treaty on European Union - require a national court to inquire into, and assess, the compatibility of the national implementing measures for Directive 2006/24/EC with the protections afforded by the Charter of Fundamental Rights, including Article 7 thereof (as informed by Article 8 of the ECHR)?
Kommentar: In dieser Frage geht es um die Verpflichtung des nationalen Gerichts, die nationale Umsetzungsgesetzgebung am Maßstab der EU-Verträge zu prüfen. Die Charta gilt für die Mitgliedsstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht. Dabei sind alle staatlichen Stellen aufgerufen, die Vereinbarkeit zu beachten.
Zum weiteren Vorgehen im Hinblick auf die von Brüssel angedrohte Nichtumsetzungsklage gegen Deutschland: Vorabentscheidungsverfahren über die Gültigkeit einer RL durch den EuGH sind zwar kein Anlass ist, von einer Vertragsverletzungsklage wegen Nichtumsetzung der RL gegen Deutschland abzusehen. Aber: Sind beide Klagen parallel anhängig, kann deren Verbindung oder die Aussetzung der Vertragsverletzungsklage geprüft werden. Der Gerichtshof kann sich auf das ein oder andere einlassen.
1. Is the restriction on the rights of the Plaintiff in respect of its use of mobile telephony arising from the requirements of Articles 3, 4, and 6 of Directive 2006/24/EC incompatible with Article 5.4 TEU in that it is disproportionate and unnecessary or inappropriate to achieve the legitimate aims of: Ensuring that certain data are available for the purposes of investigation, detection and prosecution of serious crime? and/or Ensuring the proper functioning of the internal market of the European Union?
Kommentar: Ausgangsthese des Gerichts scheint eine Beschränkung der Rechte des Klägers auf Nutzung seines Mobiltelefons zu sein, die durch die Artikel 3, 4 und 6 der RL Vorratsdatenspeicherung ausgelöst werden. Gefragt ist danach, ob dies vereinbar ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Artikel 5 Abs. 4 EUV, wenn die Ziele der RL entweder das Vorhalten der Daten für Strafverfolgungsmaßnahmen oder das Funktionieren des Binnenmarktes sind.
Artikel 3 Absatz 1 der RL formuliert die Verpflichtung der MS, Maßnahmen zu ergreifen, damit Daten auf Vorrat gespeichert werden.
Artikel 3 Absatz 2 enthält eine spezielle Regelung zur erfolglosen Anrufversuchen.
Artikel 4 der RL bestimmt, dass die MS in ihrem innerstaatlichen Recht Regelungen zum Zugang (Verfahren und Bedingungen) zu den auf Vorrat gespeicherten Daten treffen und hierbei die einschlägigen Bestimmungen der EU oder des Völkerrechts berücksichtigen.
Artikel 6 der RL enthält die Speicherungsfrist von mindestens sechs und höchsten 24 Monaten.
2. Specifically, is Directive 2006/24/EC compatible with the right of citizens to move and reside freely within the territory of Member States laid down in Article 21 TFEU? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to privacy laid down in Article 7 of the Charter and Article 8 ECHR? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to the protection of personal data laid down in Article 8 of the Charter? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to freedom of expression laid down in Article 11 of the Charter and Article 10 ECHR? Is Directive 2006/24/EC compatible with the right to Good Administration laid down in Article 41 of the Charter?
Kommentar: Es wird nach der Gültigkeit der RL gefragt in Bezug auf das Recht auf Freizügigkeit. Dass in der Folge in Irland in Bezug auf die Anwendung des die RL umsetzenden Rechts eine Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit erfolgt, ist möglich. Weiter wird nach der Vereinbarkeit mit der Grundrechtecharta gefragt, im einzelnen Artikel 7 das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, Artikel 8 das Recht auf Datenschutz, Artikel 11 das das Recht auf Freiheit der Meinungsäußerung und der Informationsfreiheit und Artikel 41, Recht auf gute Verwaltung.
3. To what extent do the Treaties - and specifically the principle of loyal cooperation laid down in Article 4.3 of the Treaty on European Union - require a national court to inquire into, and assess, the compatibility of the national implementing measures for Directive 2006/24/EC with the protections afforded by the Charter of Fundamental Rights, including Article 7 thereof (as informed by Article 8 of the ECHR)?
Kommentar: In dieser Frage geht es um die Verpflichtung des nationalen Gerichts, die nationale Umsetzungsgesetzgebung am Maßstab der EU-Verträge zu prüfen. Die Charta gilt für die Mitgliedsstaaten bei der Durchführung von Unionsrecht. Dabei sind alle staatlichen Stellen aufgerufen, die Vereinbarkeit zu beachten.
Zum weiteren Vorgehen im Hinblick auf die von Brüssel angedrohte Nichtumsetzungsklage gegen Deutschland: Vorabentscheidungsverfahren über die Gültigkeit einer RL durch den EuGH sind zwar kein Anlass ist, von einer Vertragsverletzungsklage wegen Nichtumsetzung der RL gegen Deutschland abzusehen. Aber: Sind beide Klagen parallel anhängig, kann deren Verbindung oder die Aussetzung der Vertragsverletzungsklage geprüft werden. Der Gerichtshof kann sich auf das ein oder andere einlassen.
Samstag, 10. März 2012
WIPO-Patentstatistik: Neuer Rekord an Schutzrechtanträgen
Patente waren 2011 so begehrt wie nie, denn die laufenden Patentkriege wollen angefüttert werden: Die Weltorganisation für geistiges Eigentum WIPO hat Anfang der Woche ihre jährliche Patentstatistik veröffentlicht. Die USA, Japan und Deutschland führen die Rangliste erneut an, aber vor allem China holt rasant auf. Softwarepatente bleiben weit vorn dabei:
Despite difficult economic conditions, international patent filings under the WIPO-administered Patent Cooperation Treaty (PCT) set a new record in 2011 with 181,900 applications – a growth of 10.7 % on 2010 and the fastest growth since 2005.1 China, Japan and the United States of America (US) accounted for 82 % of the total growth. Chinese telecommunications company ZTE Corporation was the biggest filer of PCT applications in 2011. ... Among the top filing countries, PCT applications from China (+33.4 %), Japan (+21 %), Canada (+8.3 %), the Republic of Korea (+8 %) and the US (+8 %) saw the fastest growth in 2011. European countries witnessed a mixed performance, with Switzerland (+7.3%), France (+5.8 %), Germany (+5.7 %) and Sweden (+4.6 %) experiencing growth, and the Netherlands (-14 %), Finland (-2.7 %), Spain (-2.7 %) and the United Kingdom (-1 %) seeing declines. ... Digital communications with 11,574 (or 7.1 % of total) published applications remained the field of technology accounting for the largest share of total PCT applications in 2011, followed by electronic machinery (6.9 %), medical technology (6.6 %) and computer technology (6.4 %).
FDP Bayern gegen Leistungsschutzrecht
Am vorigen Sonntag beschloss der Koalitionsausschuss von FDP und CDU/CSU im Bund, ein Versprechen aus dem Koalitionsvertrag wahr zu machen und doch noch ein Leistungsschutzrecht für Presseerzeugnisse im Internet einzuführen. Dem Vorhaben weht nun aus den Reihen der Liberalen aus Bayern eine frische Brise entgegen: Wie der FDP-Netzpolitiker Jimmy Schulz gerade durchgab, hat der am Samstag in Lindau am Bodensee tagende Parteitag der bayerischen freiheitlichen Demokraten einen Antrag mit dem Titel "Urheberrecht und Neue Medien liberal gestalten" verabschiedet. Darin sprechen sich die Delegierten gegen das Leistungsschutzrecht für Verleger aus. Stattdessen werden laut Schulz andere Prioritäten gesetzt:
Ein liberales Urheberrecht in der digitalen Welt beinhaltet faire, zeitgemäße Regelungen, wie Fair-Use-Klauseln, freie Lizenzen für staatlich finanzierte Inhalte und Creative Commons.Pikant daran: Der bayerische Bundestagsabgeordnete setzte sich beim Nein zu der Schutzrechterweiterung in einer Kampfabstimmung gegen die bayerische FDP-Vorsitzende und Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger durch. Das ist ein klares Signal, dass es die Initiative des Koalitionsausschusses im Bundestag nicht leicht haben wird.
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