Peter Tauber hält als CDU-Generalsekretär wenig von der
Haudrauf-Rhetorik, die viele seiner Vorgänger pflegten. Er drückt sich lieber diplomatisch
aus und möchte sich nicht gern festnageln lassen. Wenn ihm der deutsche
Datenschutz als zu enges Korsett erscheint, sagt er dies etwa nicht gradheraus.
Vielmehr verweist er darauf, dass das Thema hierzulande "in einer Weise
emotionalisiert wird", die sich nicht allen erschlösse. Er zählt diesen
Bereich zu "einigen Stellen", an denen man fragen müsse: "Haben
wir dazu den richtigen Zugang?"
Zahlreiche Beispiele für die Kunst, sich mäandrierend an politische
Herausforderungen anzunähern, brachte der gebürtige Gelnhausener am Mittwoch bei
einem Gespräch in der Reihe "Digitales Deutschland" bei Microsoft in
Berlin. Startups sagten ihm, sie hätten eine tolle Idee, könnten sie
hierzulande aber nicht umsetzen wegen der Vorgaben zum Verarbeiten personenbezogener
Informationen, führte er etwa aus. Mit dem viel beschworenen "Geschäftsmodell
Datenschutz" sei es offenbar nicht weit her. Er habe zumindest "noch
keinen getroffen, der mir konkret gezeigt hat, wie man damit Geld verdienen
kann". Es gelte, angesichts von Big Data "chancenorientierter über
Datenschutz zu reden".
Viel und schnell reden ist generell nicht nur ein
Markenzeichen des mit seinen gut 40 Jahren vergleichsweise jungen
Spitzenpolitikers, sondern auch eine seiner Lieblingsempfehlungen neben dem
Aufwerfen von Fragen. Angesichts der Übermacht von US-Internetkonzernen in
Sektoren wie Suchmaschinen oder sozialen Netzwerken hält er es etwa für nötig,
einmal "ordnungspolitisch darüber zu reden, wo noch
Gestaltungsspielraum" sei. Dies dürfe aber nicht "immer aus einer
Abwehrhaltung heraus" erfolgen. Das neue Leistungsschutzrecht sei ein Beispiel dafür, dass diese Taktik nicht stets greife. Er sei zumindest
nach wie vor sehr skeptisch, ob dieses "die richtige Antwort auf die
Herausforderungen ist".
Als aufstrebender Netzpolitiker war Tauber auch einst ein
ausgewiesener Gegner der Vorratsdatenspeicherung. "Ich kann es mit meinem
persönlichen Freiheitsbegriff nur schwer vereinbaren, dass der Staat meine sämtlichen
Telefondaten für eine bestimmte Dauer ohne Verdacht auf eine vorliegende
Straftat speichert", schrieb er 2012.
Er lehne das Mittel prinzipiell ab. Jüngst zählte er den Plan der Koalition, das umstrittene Instrument wieder einzuführen,
dagegen zu den Erfolgen der CDU.
Dies sei "eine der Sachen, die sich in meinem Job verändert
haben", erläuterte der Spindoktor seinen neuen Ansatz. Er habe immer
gesagt, er sei sich "nicht so sicher", dass das anlasslose
Protokollieren von Nutzerspuren "das zentrale Element bei der Kriminalitätsbekämpfung"
sei, relativierte der CDU-General seine frühere Darstellung. Es sei "nicht
klug zu denken", dass alle immer wieder genannten Probleme von
Kinderpornographie bis Terrorismus damit gelöst würden.
Andererseits verwies der promovierte Politikwissenschaftler
auf die "Beschlusslage" seiner Partei, wonach die
Vorratsdatenspeicherung "ein Instrument sein kann in der
Sicherheitspolitik". Dies stehe auch im Koalitionsvertrag, der sich aber
auf die Umsetzung der mittlerweile gekippten EU-Vorgaben bezieht.
Er müsse hier also "die Meinung der gesamten Partei" verkaufen, auch
wenn er dies "nicht mit so einer Verve" tue wie CDU-Innenpolitiker.
Zudem sei der mit der SPD gefundene Kompromiss "Lichtjahre von dem weg,
was am Anfang der Debatte stand". Die Speicherfristen etwa seien deutlich
verkürzt worden.
Wieso versuche die Union nicht, das "Symbolthema"
einfach umzubenennen und positiver zu besetzen, wollte Taubers Fragepartner
Wolfram Weimer wissen. Dem Journalist schien entgangen zu sein, dass die
Konservativen dieses Unterfangen seit Jahren mit der Rede von Mindest- und Höchstspeicherfristen
sowie vom "Sichern
digitaler Fingerabdrücke" längst in Angriff genommen haben. "Ich
hätte gerne das Geld, um drei Semantiker zu beschäftigen, die nur über schöne
Begriffe nachdenken", unkte der Angesprochene. Wenn die Leute aber
merkten, dass man sie "hinter die Fichte" führen wolle, "nehmen
sie es einem übel".
Als "ziemlich kompliziert" beschrieb Tauber die
Gemengelage in der neuen BND-NSA-Affäre. Leicht auf den Punkt zu
bringen sei sie nicht: "Die Wahrheit ist meistens nicht 140 Zeichen
lang." Er glaube nicht, dass der Skandal schon wieder ausgestanden sei –
unabhängig davon, "ob 80 oder acht Prozent hinschauen". Auch wenn der
Großteil der Bevölkerung sich im Gegensatz etwa zu einem Breitbandzugang nicht
für Geheimdienstkooperationen interessiere, sei es trotzdem wichtig zu klären,
auf welcher Grundlage diese erfolgten und ob die Partner die vereinbarten
Regeln einhielten.
Zugleich überlegte der Generalsekretär laut, ob nicht auch
diese Affäre "in etwas Positives" gedreht werden könne. "Es ist
eine Stärke, dass wir das diskutieren, das gibt es in China oder Russland so
nicht", spann er den Gedanken weiter. Schon die Tatsache, dass es
hierzulande eine Debatte über die Vorgehensweise der Geheimdienste gebe, zeige,
dass "die Kontrolle doch funktioniert". Eine demokratische
Gesellschaft tue sich keinen Gefallen, wenn sie ihren eigenen Institutionen wie
den Volksvertretern und Funktionsträgern nicht vertraue. Zudem sei er "skeptisch,
ob alle aufregenden Schlagzeilen eine Substanz haben".
Dass die Bundeskanzlerin und CDU-Vorsitzende ihr Bonmot über
das "geht gar" nicht zum Ausspähen unter Freunden mittlerweile relativiert
habe, wollte ihr Vertrauter nicht nachvollziehen: "Ich kann nicht
erkennen, dass Angela Merkel hier ihre Meinung geändert hat." Die
Deutschen müssten sich bewusst machen, dass sie schon angesichts 700 in Syrien
kämpfender Gotteskrieger auf die Erkenntnisse ausländischer Nachrichtendienste
angewiesen seien. Man könne aber "gerne darüber reden", ob die
Auflagen für Datentransfers "strenger sein können".
Um die Chancen der Digitalisierung und der Industrie 4.0 der gesamten Partei aufzuzeigen, werde die CDU im September alle Mitglieder ins "deutsche Silicon Valley" nach Berlin einladen, kündigte der General an. Auch die Kanzlerin werde bei dem großen Treffen dabei sein. Bei vielen an der Basis spreche sich langsam herum, dass das Internet "eigentlich andere Formen der Mitbestimmung" ermögliche. Es sollten daher alle Gremien verpflichtet werden, regelmäßig Online-Konferenzen für den direkten Austausch zwischen den Ebenen durchzuführen.
Langfassung eines Beitrags für heise online.
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